Ironman Hamburg 2021
Verfasst: 4. Sep 2021, 14:41
Nachdem die Pandemie seit dem letzten Jahr für eine Zwangspause im Wettkampfgeschehen sorgte, keimte mit sinkenden Inzidenzwerten im Sommer des Jahres auch wieder ein Fünkchen Hoffnung in Richtung „Rückkehr zur Normalität“ auf. Normalität! - Im Sport bedeutet das, endlich wieder an Wettkämpfen teilnehmen zu dürfen; sich mit anderen oder den eigenen Ansprüchen zu messen, langjährige Wegbegleiter wiederzusehen, den Körper an Grenzen heranzuführen, seinen Leidenschaften zu folgen und dem Ganzen das berühmte I-Tüpfelchen aufzusetzen. Die erneute Teilnahme an einem IRONMAN-Wettkampf gehörte für den Verfasser dieser Zeilen zu seiner Normalität. Sechzehn mal beendete er die härteste aller Triathlon-Prüfungen bereits erfolgreich. Und das Fieber kehrte einmal mehr zurück!
Zuvor galt es in diesen Zeiten jedoch einige Voraussetzungen zu erfüllen - unabhängig der antrainierten körperlichen Fähigkeiten war es plötzlich nicht mehr nur ausreichend, gesund und fit zu sein und Kontakt zu Virenträgern vermieden zu haben. Nun musste man auch noch die Erfüllung der 2-G-Regel nachweisen. Geimpft oder genesen, ohne entsprechende Nachweise lief nichts. Nicht allen Ausrichtern ist es gelungen, Politik und Behörden rechtzeitig von ihrem Sicherheitskonzept zu überzeugen. So musste die wiederholte Ausrichtung des Glücksburger Ostseeman wenige Wochen vor dem geplanten Wettbewerb abgesagt werden. Schade!
Auch der Verfasser dieses Artikels war nach der E-Mail-Absage der Glücksburger aufgefordert, sich zu entscheiden. Ein weiteres Jahr ohne Wettkampfteilnahme oder kurzfristige Neuorientierung. Schließlich gab es quasi vor der Haustür noch eine weitere Option. Die Stadt Hamburg gibt sich seit vielen Jahren als dem Sport besonders zugetane Metropole aus. Großveranstaltungen im Tennis- und Radsport gehören in der „Active City“ einfach dazu. Auch der Triathlon-Sport findet sich mit World-Cup-Rennen und seit 2017 auch mit einem IRONMAN-Rennen wieder.
Zwei Dinge ließen unseren Triathleten lange zögern, bevor er sich schließlich zu Teilnahme anmeldete:
Im Gegensatz zum Ostseeman sahen sie Statuten des Ausrichters keine Erstattung der Startgebühr im Falle einer Pandemie bedingten, sehr kurzfristigen Absage vor. Nun sind beinahe 700 € (Start- und Bearbeitungsgebühr zzgl. Wettkampflizenz) keine Summe, für die man nicht auch noch anderweitig Verwendung hätte - eine Woche Radtraining auf Mallorca vielleicht. Den gemeldeten Sportlern stand
die Option „Ummeldung auf einen Wettkampf in 2022“ zur Verfügung. Aber ob man im kommenden Jahr nochmals dieses erwünschte Fitness-Level erreicht?
Zum Anderen findet das Schwimmen in der Hamburger Binnen- und Außenalster statt. Und die hat in langen Warmphasen des Sommers ein Algenproblem. So musste das Schwimmen im Jahr 2018 kurzfristig abgesagt werden; ein Triathlon wurde zum Duathlon. Und darauf hatte unser Sportler überhaupt keine Lust! Triathlon muss Triathlon bleiben! Das Freiwasserschwimmen macht doch gerade den besonderen Reiz aus.
Nun gut; irgendwann musste eine Entscheidung getroffen werden. Am 25.07.2021 meldete unser Kandidat sich für die Teilnahme in Hamburg am 29.08.2021 an - knapp fünf Wochen vorher! Das hätte man vor zehn, fünfzehn Jahren mal versuchen sollen. Verwunderung hätte man geerntet. Damals waren derartige Wettkampfformate knapp ein Jahr im Voraus ausgebucht. Die Pandemie hat auch Vorteile.
Hamburg bietet normalerweise ausreichend Platz für rund 2500 Athleten. Corona geschuldet wurde die Anzahl der Startplätze auf knapp unter 1400 eingedampft. Die erst kurz vor dem Wettkampf definierte 2-G-Regel der Stadt sorgte noch einmal für etwas Teilnehmerschwund. Alles in allem sind wohl um die 1000 Athleten angetreten; auch wenn offizielle Verlautbarungen anders lauten.
Pre Race
Etwas einschüchternd wirkt das rund vierzig Seiten umfassende Wettkampf-Regelwerk. Mit dem Durchlesen allein ist es nicht getan. In Pandemie-Zeiten kann man nicht einfach an einem der drei Check-In-Tage auftauchen und die Unterlagen abholen. Relativ aufwändig musste ein verbindlicher Termin gebucht, Erklärungen zum Gesundheitszustand und mögliche Kontakte zu Infizierten abgegeben sowie Impfzertifikate vorgelegt werden. Die üblicherweise vor derartigen Events ausgerichtete Verkaufsmesse - normalerweise recht sehenswert - fiel sehr dünn und nicht attraktiv aus. COVID-19 hinterließ hier eindeutige Spuren.
Unser Protagonist leistet sich seit Jahren aus beruflichen Gründen den Luxus einer Zweitwohnung in Hamburg. Somit fielen keine Hotelkosten und weitere Organisation an. Von großem Vorteil war eindeutig die heimische Atmosphäre in privatem Umfeld für die Nacht vor dem Wettkampf. So verbrachte unser Athlet eine sehr entspannte und erholsame Nacht; Aufregung geht anders. Die geliebte Gattin blieb übrigens zu Hause; sie stieß erst am Folgetag hinzu und unterstützte - mitsamt gemeinsamer Tochter - unseren Sportler auf den letzten Laufkilometern. Nur zu verständlich; es gibt wohl nichts Langweiliges, als den ganzen langen Tag auf die sieben, acht kurzen Momente der Begegnung mit dem Liebsten zu warten - während dieser bekanntlich seine Freunden auslebt.
Die Challenge
Kurz gesagt: Unser Protagonist hat den Tag in vollen Zügen genossen. Auch, wenn die Endzeit Anderes vermuten lässt, hat er alle Disziplinen souverän hinter sich bringen können. Und das war das Ziel.
Das Schwimmen in der Alster fand dank des mittelprächtigen Sommers tatsächlich statt. Ein Traum - und mit Rolling-Start erst recht. Alle paar Sekunden entsorgten vier Sportler ihre Schutzmasken und sprangen in die Fluten. Als die Letzten an die Reihe kamen, waren die Profis bereits wieder kurz vor dem Ziel. Mit lockerer 2-3-2-Atemtechnik durchpflügte unser Athlet tiefenentspannt die Hamburger Fluten. Das Panorama aus der Wasserperspektive: einfach klasse! Die tief hängenden Wolken über der Stadt schmälern die optischen Eindrücke nur unwesentlich. Schwimmen ist vor allem Kopfsache; da braucht es nicht viele Vorbereitungskilometer. Dank Pandemie bedingter Schwimmbad-Schließungen waren es ganze 27. Nach rund 1:19 h durchquerte unser Akteur die „längste Wechselzone der Welt“.
In all den Jahren hat unser Hauptdarsteller einiges im Wettkampfgeschehen erlebt. Jede Langdistanz ist anders, aufgrund ihrer zeitlichen Ausprägung kann die Wetterlage einen ganz erheblichen Einfluss auf den Wettkampfverlauf der Athleten nehmen. Dem typischen Hamburger Schmuddelwetter entsprechend durfte unser Sportler zum ersten Mal einen Radsplit auf durchgängig nassen Straßen genießen. Von oben blieb es glücklicherweise weitgehend trocken. Nur ab und zu sorgte ein leichter Schauer für die Aufrechterhaltung ausreichender Durchfeuchtung der Straßenoberfläche. Viele sind natürlich mit Platten liegen geblieben. Auch einige Ausrutscher hat es gegeben. Und man glaubt nicht, was Triathleten sich alles ans Rad bauen, was sie später auf unebenen Straßen wieder verlieren - weitere Gefahrenquellen für Mensch und Material. Es entstehen auch neue Geschäftsideen: Wenn man das alles einsammelt und bei Ebay verkauft, kann man ein Vermögen machen.
Bei - wie gesagt - nur ca. 1000 Startern ist man über große Strecken einsam unterwegs. Nirgends waren Gruppenbildungen erkennbar; es wurde aber auch penibel kontrolliert. Nach 100 Kilometern zwickte es unserem Hauptdarsteller im Gesäß und der Wind frischte etwas auf; die Beine fühlten sich jedoch über die gesamte Distanz gut an. Die Zeit nach 180 Kilometern: 5:24 h, 33,3er Schnitt, so schnell, wie bei seiner ersten Langdistanz-Teilnahme vor rund 15 Jahren.
Die Versorgung auf der Radstrecke bot alles, was man von diesem Format erwartet. Professionell reichten Hilfskräfte die Verpflegung zu; das Tempo musste man nur unwesentlich reduzieren. Im Verlauf seiner Renn-Karriere lernte unser Sportler ohne Energiegels oder -riegel auszukommen. Eine 250-Gramm-Tube Honig leistete auch dieses Mal wieder hervorragende Dienste. Für feste Nahrung sorgten zugereichte Bananenstücke.
Zur letzten Disziplin, den abschließenden Marathon. Unser Sportsfreund läuft regelmäßig - nahezu immer frühmorgens vor der Arbeit, draußen in der ländlichen Umgebung des Heimatortes. Er genießt diese Art von Start in den Tag sehr - wenn die liebe Familie noch im Bett liegt und das Dorf langsam erwacht. Der Körper füllt sich allmählich mit Sauerstoff und der nötigen Energie für den Tag. Die Gedanken kommen langsam in Fahrt und bereiten sich auf eine Strukturierung des Tagesablaufes vor. Meistens handelt es sich um Streckenverläufe von fünf bis sieben Kilometern, sehr selten auch mal zehn bis zwölf. Im Jahresverlauf kommen auf diese Weise deutlich mehr als zweitausend Trainingskilometer zusammen. Lange Läufe für die Triathlon-Wettkämpfe trainiert unser Kandidat seit Jahren nicht mehr. Zur - mehr mentalen - Vorbereitung auf Langstreckenläufe dienten zuletzt immer Veranstaltungen, wie der Kieler Hochbrückenlauf, Kiel-Marathon oder Ultra-Läufe, wie die Harzquerung. Und diese Veranstaltungen sind ja bekanntlich Corona bedingt allesamt in den letzten eineinhalb Jahren ausgefallen. Wozu unser Sportsfreund seit längerem überhaupt keine Lust mehr hat, sind Tempoläufe oder Läufe auf Platzierung oder Zeit. Man soll nie Nie sagen, vielleicht ändert sich die Haltung ja noch mal. Aktuell ist es jedoch, wie es ist. Er entwickelte sich eher zum Genussläufer - Temposchnitt zwischen 6:30 und 7:30 Minuten je Kilometer.
So verlief auch die letzte Disziplin. Der abschließende Marathon war reine Kopfsache. Unser Protagonist wusste aufgrund der langjährigen Erfahrung, dass er es schaffen würde. Er hat keine einzige Sekunde mit sich gehadert und ist die gesamte Strecke durchgelaufen, nur halt seeehr langsam, ohne die Zeit oder irgendwelche Zielzeit-Erwartungen im Nacken. Er wollte diesen Tag genießen. Traf er zwischendurch auf Bekannte oder die Familie, leistete er sich einige Sekunden des Innehaltens für einen kurzen Austausch. Wenn es gut liefe wäre vielleicht ein Viereinhalb-Stunden-Marathon drin gewesen. Es kam aber anders: Es vergingen 5:53 h bis zum Zieleinlauf - auch okay.
Nach 12:53 h genoss unser Protagonist schließlich - mit sich selbst im Reinen und sehr glücklich - den Zieleinlauf. Das war IRONMAN Nummer siebzehn!
Zum Schluss noch ein paar Aussagen zu Ernährung und Training: im Verlauf des Schwimmens gab es ab und zu einen Schluck Alsterwasser (die Brühe ist so nahrhaft, dass es keiner Alternativen bedarf). Wie schon erwähnt, sorgten beim Radfahren ca. 250 Gramm Honig und eine Banane für die nötige Energiezufuhr. Während des Laufens gab nochmals eine Banane und… fünf Kuhbonbons;) Jawohl, richtig gelesen. Diese Dinger sind derart energiereich, dass sie schon fast als Dopingmittel gelten. In früheren Jahren leisteten diese Süßwahren in verschiedenen Trainingslagern auf Mallorca gute Dienste und haben bei Unterzuckerungen und alltäglichen Erschöpfungszuständen sehr oft über die letzten dreißig Kilometer bis zum Hotel geholfen.
Gezieltes Tapern vor den Wettkämpfen gibt es übrigens seit Jahren nicht mehr. In der Regel müssen ein, zwei Tage Trainingspause vor größeren Geschichten ausreichen. Zu sehr ist unser Sportsfreund mit dem Trainingsalltag verbunden, als dass er zu Gunsten irgendwelcher Traumzeiten für einige Zeit auf seine große Leidenschaft verzichten mag. Meist geht es anschließend unmittelbar nach der Challenge mit den Training weiter. Sport gehört für unseren Athleten zum Alltag. Trainingspausen finden in der Regel nicht statt, auch unter der Woche. Irgendetwas kann man nahezu immer machen. Auch das ist IRONMAN: das Ausleben der individuellen Leidenschaft im Jahresverlauf, den Körper herangeführt an ganzjährige Permanentbelastung, nahezu ohne Sportpausen. Eigentlich war es vor einigen tausend Jahren auch nicht anders; heute leben die Menschen nur unter anderen Wohlstandsvoraussetzungen. Man kämpft nicht mehr um das Überleben, sondern sucht nach Lösungen, um den modernen Alltagsbelastungen dauerhaft Stand zu halten - zu Gunsten des individuellen Seelenfriedens.
Direkt im Anschluss an den Wettkampf begab sich unser Darsteller mit samt geliebter Gattin erst einmal in den Urlaub: drei Wochen Südtirol - mediterrane Lebensart auf verschiedenen Campingplätzen genießen und Rennrad-Kilometer in den Bergen sammeln - zur Vorbereitung auf die kommende sportliche Herausforderung.
Liebe Grüße!
Zuvor galt es in diesen Zeiten jedoch einige Voraussetzungen zu erfüllen - unabhängig der antrainierten körperlichen Fähigkeiten war es plötzlich nicht mehr nur ausreichend, gesund und fit zu sein und Kontakt zu Virenträgern vermieden zu haben. Nun musste man auch noch die Erfüllung der 2-G-Regel nachweisen. Geimpft oder genesen, ohne entsprechende Nachweise lief nichts. Nicht allen Ausrichtern ist es gelungen, Politik und Behörden rechtzeitig von ihrem Sicherheitskonzept zu überzeugen. So musste die wiederholte Ausrichtung des Glücksburger Ostseeman wenige Wochen vor dem geplanten Wettbewerb abgesagt werden. Schade!
Auch der Verfasser dieses Artikels war nach der E-Mail-Absage der Glücksburger aufgefordert, sich zu entscheiden. Ein weiteres Jahr ohne Wettkampfteilnahme oder kurzfristige Neuorientierung. Schließlich gab es quasi vor der Haustür noch eine weitere Option. Die Stadt Hamburg gibt sich seit vielen Jahren als dem Sport besonders zugetane Metropole aus. Großveranstaltungen im Tennis- und Radsport gehören in der „Active City“ einfach dazu. Auch der Triathlon-Sport findet sich mit World-Cup-Rennen und seit 2017 auch mit einem IRONMAN-Rennen wieder.
Zwei Dinge ließen unseren Triathleten lange zögern, bevor er sich schließlich zu Teilnahme anmeldete:
Im Gegensatz zum Ostseeman sahen sie Statuten des Ausrichters keine Erstattung der Startgebühr im Falle einer Pandemie bedingten, sehr kurzfristigen Absage vor. Nun sind beinahe 700 € (Start- und Bearbeitungsgebühr zzgl. Wettkampflizenz) keine Summe, für die man nicht auch noch anderweitig Verwendung hätte - eine Woche Radtraining auf Mallorca vielleicht. Den gemeldeten Sportlern stand
die Option „Ummeldung auf einen Wettkampf in 2022“ zur Verfügung. Aber ob man im kommenden Jahr nochmals dieses erwünschte Fitness-Level erreicht?
Zum Anderen findet das Schwimmen in der Hamburger Binnen- und Außenalster statt. Und die hat in langen Warmphasen des Sommers ein Algenproblem. So musste das Schwimmen im Jahr 2018 kurzfristig abgesagt werden; ein Triathlon wurde zum Duathlon. Und darauf hatte unser Sportler überhaupt keine Lust! Triathlon muss Triathlon bleiben! Das Freiwasserschwimmen macht doch gerade den besonderen Reiz aus.
Nun gut; irgendwann musste eine Entscheidung getroffen werden. Am 25.07.2021 meldete unser Kandidat sich für die Teilnahme in Hamburg am 29.08.2021 an - knapp fünf Wochen vorher! Das hätte man vor zehn, fünfzehn Jahren mal versuchen sollen. Verwunderung hätte man geerntet. Damals waren derartige Wettkampfformate knapp ein Jahr im Voraus ausgebucht. Die Pandemie hat auch Vorteile.
Hamburg bietet normalerweise ausreichend Platz für rund 2500 Athleten. Corona geschuldet wurde die Anzahl der Startplätze auf knapp unter 1400 eingedampft. Die erst kurz vor dem Wettkampf definierte 2-G-Regel der Stadt sorgte noch einmal für etwas Teilnehmerschwund. Alles in allem sind wohl um die 1000 Athleten angetreten; auch wenn offizielle Verlautbarungen anders lauten.
Pre Race
Etwas einschüchternd wirkt das rund vierzig Seiten umfassende Wettkampf-Regelwerk. Mit dem Durchlesen allein ist es nicht getan. In Pandemie-Zeiten kann man nicht einfach an einem der drei Check-In-Tage auftauchen und die Unterlagen abholen. Relativ aufwändig musste ein verbindlicher Termin gebucht, Erklärungen zum Gesundheitszustand und mögliche Kontakte zu Infizierten abgegeben sowie Impfzertifikate vorgelegt werden. Die üblicherweise vor derartigen Events ausgerichtete Verkaufsmesse - normalerweise recht sehenswert - fiel sehr dünn und nicht attraktiv aus. COVID-19 hinterließ hier eindeutige Spuren.
Unser Protagonist leistet sich seit Jahren aus beruflichen Gründen den Luxus einer Zweitwohnung in Hamburg. Somit fielen keine Hotelkosten und weitere Organisation an. Von großem Vorteil war eindeutig die heimische Atmosphäre in privatem Umfeld für die Nacht vor dem Wettkampf. So verbrachte unser Athlet eine sehr entspannte und erholsame Nacht; Aufregung geht anders. Die geliebte Gattin blieb übrigens zu Hause; sie stieß erst am Folgetag hinzu und unterstützte - mitsamt gemeinsamer Tochter - unseren Sportler auf den letzten Laufkilometern. Nur zu verständlich; es gibt wohl nichts Langweiliges, als den ganzen langen Tag auf die sieben, acht kurzen Momente der Begegnung mit dem Liebsten zu warten - während dieser bekanntlich seine Freunden auslebt.
Die Challenge
Kurz gesagt: Unser Protagonist hat den Tag in vollen Zügen genossen. Auch, wenn die Endzeit Anderes vermuten lässt, hat er alle Disziplinen souverän hinter sich bringen können. Und das war das Ziel.
Das Schwimmen in der Alster fand dank des mittelprächtigen Sommers tatsächlich statt. Ein Traum - und mit Rolling-Start erst recht. Alle paar Sekunden entsorgten vier Sportler ihre Schutzmasken und sprangen in die Fluten. Als die Letzten an die Reihe kamen, waren die Profis bereits wieder kurz vor dem Ziel. Mit lockerer 2-3-2-Atemtechnik durchpflügte unser Athlet tiefenentspannt die Hamburger Fluten. Das Panorama aus der Wasserperspektive: einfach klasse! Die tief hängenden Wolken über der Stadt schmälern die optischen Eindrücke nur unwesentlich. Schwimmen ist vor allem Kopfsache; da braucht es nicht viele Vorbereitungskilometer. Dank Pandemie bedingter Schwimmbad-Schließungen waren es ganze 27. Nach rund 1:19 h durchquerte unser Akteur die „längste Wechselzone der Welt“.
In all den Jahren hat unser Hauptdarsteller einiges im Wettkampfgeschehen erlebt. Jede Langdistanz ist anders, aufgrund ihrer zeitlichen Ausprägung kann die Wetterlage einen ganz erheblichen Einfluss auf den Wettkampfverlauf der Athleten nehmen. Dem typischen Hamburger Schmuddelwetter entsprechend durfte unser Sportler zum ersten Mal einen Radsplit auf durchgängig nassen Straßen genießen. Von oben blieb es glücklicherweise weitgehend trocken. Nur ab und zu sorgte ein leichter Schauer für die Aufrechterhaltung ausreichender Durchfeuchtung der Straßenoberfläche. Viele sind natürlich mit Platten liegen geblieben. Auch einige Ausrutscher hat es gegeben. Und man glaubt nicht, was Triathleten sich alles ans Rad bauen, was sie später auf unebenen Straßen wieder verlieren - weitere Gefahrenquellen für Mensch und Material. Es entstehen auch neue Geschäftsideen: Wenn man das alles einsammelt und bei Ebay verkauft, kann man ein Vermögen machen.
Bei - wie gesagt - nur ca. 1000 Startern ist man über große Strecken einsam unterwegs. Nirgends waren Gruppenbildungen erkennbar; es wurde aber auch penibel kontrolliert. Nach 100 Kilometern zwickte es unserem Hauptdarsteller im Gesäß und der Wind frischte etwas auf; die Beine fühlten sich jedoch über die gesamte Distanz gut an. Die Zeit nach 180 Kilometern: 5:24 h, 33,3er Schnitt, so schnell, wie bei seiner ersten Langdistanz-Teilnahme vor rund 15 Jahren.
Die Versorgung auf der Radstrecke bot alles, was man von diesem Format erwartet. Professionell reichten Hilfskräfte die Verpflegung zu; das Tempo musste man nur unwesentlich reduzieren. Im Verlauf seiner Renn-Karriere lernte unser Sportler ohne Energiegels oder -riegel auszukommen. Eine 250-Gramm-Tube Honig leistete auch dieses Mal wieder hervorragende Dienste. Für feste Nahrung sorgten zugereichte Bananenstücke.
Zur letzten Disziplin, den abschließenden Marathon. Unser Sportsfreund läuft regelmäßig - nahezu immer frühmorgens vor der Arbeit, draußen in der ländlichen Umgebung des Heimatortes. Er genießt diese Art von Start in den Tag sehr - wenn die liebe Familie noch im Bett liegt und das Dorf langsam erwacht. Der Körper füllt sich allmählich mit Sauerstoff und der nötigen Energie für den Tag. Die Gedanken kommen langsam in Fahrt und bereiten sich auf eine Strukturierung des Tagesablaufes vor. Meistens handelt es sich um Streckenverläufe von fünf bis sieben Kilometern, sehr selten auch mal zehn bis zwölf. Im Jahresverlauf kommen auf diese Weise deutlich mehr als zweitausend Trainingskilometer zusammen. Lange Läufe für die Triathlon-Wettkämpfe trainiert unser Kandidat seit Jahren nicht mehr. Zur - mehr mentalen - Vorbereitung auf Langstreckenläufe dienten zuletzt immer Veranstaltungen, wie der Kieler Hochbrückenlauf, Kiel-Marathon oder Ultra-Läufe, wie die Harzquerung. Und diese Veranstaltungen sind ja bekanntlich Corona bedingt allesamt in den letzten eineinhalb Jahren ausgefallen. Wozu unser Sportsfreund seit längerem überhaupt keine Lust mehr hat, sind Tempoläufe oder Läufe auf Platzierung oder Zeit. Man soll nie Nie sagen, vielleicht ändert sich die Haltung ja noch mal. Aktuell ist es jedoch, wie es ist. Er entwickelte sich eher zum Genussläufer - Temposchnitt zwischen 6:30 und 7:30 Minuten je Kilometer.
So verlief auch die letzte Disziplin. Der abschließende Marathon war reine Kopfsache. Unser Protagonist wusste aufgrund der langjährigen Erfahrung, dass er es schaffen würde. Er hat keine einzige Sekunde mit sich gehadert und ist die gesamte Strecke durchgelaufen, nur halt seeehr langsam, ohne die Zeit oder irgendwelche Zielzeit-Erwartungen im Nacken. Er wollte diesen Tag genießen. Traf er zwischendurch auf Bekannte oder die Familie, leistete er sich einige Sekunden des Innehaltens für einen kurzen Austausch. Wenn es gut liefe wäre vielleicht ein Viereinhalb-Stunden-Marathon drin gewesen. Es kam aber anders: Es vergingen 5:53 h bis zum Zieleinlauf - auch okay.
Nach 12:53 h genoss unser Protagonist schließlich - mit sich selbst im Reinen und sehr glücklich - den Zieleinlauf. Das war IRONMAN Nummer siebzehn!
Zum Schluss noch ein paar Aussagen zu Ernährung und Training: im Verlauf des Schwimmens gab es ab und zu einen Schluck Alsterwasser (die Brühe ist so nahrhaft, dass es keiner Alternativen bedarf). Wie schon erwähnt, sorgten beim Radfahren ca. 250 Gramm Honig und eine Banane für die nötige Energiezufuhr. Während des Laufens gab nochmals eine Banane und… fünf Kuhbonbons;) Jawohl, richtig gelesen. Diese Dinger sind derart energiereich, dass sie schon fast als Dopingmittel gelten. In früheren Jahren leisteten diese Süßwahren in verschiedenen Trainingslagern auf Mallorca gute Dienste und haben bei Unterzuckerungen und alltäglichen Erschöpfungszuständen sehr oft über die letzten dreißig Kilometer bis zum Hotel geholfen.
Gezieltes Tapern vor den Wettkämpfen gibt es übrigens seit Jahren nicht mehr. In der Regel müssen ein, zwei Tage Trainingspause vor größeren Geschichten ausreichen. Zu sehr ist unser Sportsfreund mit dem Trainingsalltag verbunden, als dass er zu Gunsten irgendwelcher Traumzeiten für einige Zeit auf seine große Leidenschaft verzichten mag. Meist geht es anschließend unmittelbar nach der Challenge mit den Training weiter. Sport gehört für unseren Athleten zum Alltag. Trainingspausen finden in der Regel nicht statt, auch unter der Woche. Irgendetwas kann man nahezu immer machen. Auch das ist IRONMAN: das Ausleben der individuellen Leidenschaft im Jahresverlauf, den Körper herangeführt an ganzjährige Permanentbelastung, nahezu ohne Sportpausen. Eigentlich war es vor einigen tausend Jahren auch nicht anders; heute leben die Menschen nur unter anderen Wohlstandsvoraussetzungen. Man kämpft nicht mehr um das Überleben, sondern sucht nach Lösungen, um den modernen Alltagsbelastungen dauerhaft Stand zu halten - zu Gunsten des individuellen Seelenfriedens.
Direkt im Anschluss an den Wettkampf begab sich unser Darsteller mit samt geliebter Gattin erst einmal in den Urlaub: drei Wochen Südtirol - mediterrane Lebensart auf verschiedenen Campingplätzen genießen und Rennrad-Kilometer in den Bergen sammeln - zur Vorbereitung auf die kommende sportliche Herausforderung.
Liebe Grüße!